Am 31.10. versammelten sich 5000 Menschen in Lützerath, um für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren: Aber weshalb wird an diesem Ort demonstriert? — Lützerath ist für die Klimagerechtigkeitsbewegung ein sehr symbolträchtiger Ort, da das Dorf am Rande des Tagebaus Garzweiler liegt. Nach Berechnungen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dürfen in Deutschland um das 1,5 °C Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% zu erreichen nur noch maximal 200 Mio. Tonnen Kohle zur Energieerzeugung und Veredelung abgebaggert werden. Des Weiteren zeigt die Studie auf, dass es unter dieser Annahme keine energiepolitische Notwendigkeit gibt, die bedrohten Dörfer inklusive Lützerath abzubaggern. Somit verläuft die Klimagerechtigkeitsgrenze vor Lützerath.
Nach aktueller Planung der Bundesregierung und RWE sollen bis 2038 noch 780 Mio. Tonnen Braunkohle verbrannt werden, was de facto nicht mit dem 1,5 °C Ziel vereinbar ist. Dies ist unvertretbar und jetzt heißt es Druck auf die neue Bundesregierung auszuüben, damit sie Ihre versprochen Klimaziele des Pariser Abkommens einhalten und Deutschland seinen Anteil zum 1,5 °C Ziel beiträgt.
In Lützerath haben sich deswegen im letzten Jahr schätzungsweise 200 Aktivisti auf dem Privatgrundstück des letzten Einwohners von Lützerath, Eckardt Heukamp, permanent angesiedelt. Aber auch das Grundstück von Eckardt ist akut bedroht, da sein Wohnort für die dreckige Braunkohle weichen soll. Dies kann schon bald durch staatliche Intervention, in Form eines riesigen Polizeieinsatzes geschehen: das Verwaltungsgericht Münster trifft im Januar 2022 die Entscheidung über die Zwangsenteignung von Eckardt Heukamp.
Wenn man das Campgelände betritt, trifft man zuerst auf viele selbstgebaute Hütten/Baumhäuser und geschäftiges Treiben. Beim Betreten kommt man am Infopoint vorbei, an dem die Möglichkeit besteht alle möglichen Fragen über das Camp zu stellen und einen Corona-Schnelltest abzuholen. Danach fällt der Blick auf das riesige Zirkuszelt, in dem Platz für zahlreiche Workshops und Plena ist oder in dem das vorhandene Klavier zum Musizieren einlädt. Wenn man das Campgelände weiter erkundet, kommt man am Awareness- und Sani-Zelt vorbei und kommt schließlich an der Küche für Alle(KüfA) an. Dort kann dreimal am Tag veganes Essen gegen freiwillige Spende abgeholt werden. Da das Camp selbstorganisiert ist, kann jeder einen Teil zur Erhaltung der Campstrukturen beitragen, indem jede:r sich in Schichtlisten verschiedener Aufgabenbereiche einträgt.
In Lützerath wird die Utopie gelebt, ohne Staat und Markt, sich gemeinschaftlich in praktischer Solidarität zu organisieren. Natürlich birgt dies einige Herausforderungen. Zum einen befindet man sich in den Resten eines Dorfes am Rande des Tagebaus Garzweiler. Zum anderen bleiben auch reale gesellschaftliche Zwänge. Möchte ich weiterhin einer Lohnarbeit nachgehen? Wie sieht das Leben hier im kalten Winter aus? Wie geht es mir damit an einem solchen Ort der Zerstörung zu wohnen?
Trotz all dieser Fragen merkt man sofort wie die Gemeinschaft sich umeinander kümmert und einander Halt gibt. Die Menschen hier sind voller Hoffnung und Tatendrang für die Klimagerechtigkeit einzustehen und Druck auf die Politik zur Einhaltung der 1,5 °C auszuüben.
Wie könnt ihr also die Bewegung unterstützen? Kommt jetzt nach Lützerath! Hier wird nämlich jede:r gebraucht, damit der Widerstand gegen fossile Energiekonzerne sich vergrößert und Lützerath auch nach Januar 2022 unräumbar bleibt!
Die DIW Publikation: Die Zukunft der Braunkohle in Deutschland im Rahmen der Energiewende (diw.de)